An einem kühlen und bereits etwas nebligen Herbsttag auf dem Bio-Obsthof angekommen, erfahre ich von Heidi als erstes, warum die nassgraue Stimmung hier gar nicht so ungern gesehen wird: «Der Nebel ist wichtig für die Äpfel, sie geben dem Obst die richtige Farbe». Die Äpfel, die spielen hier in Kirchdorf eine grosse Rolle: Nebst der Generationengemeinschaft von Vater Paul, Mutter Heidi und Sohn Marco packen fünf Angestellte, darunter ein lernender Obstfachmann, tatkräftig mit an. Zur Erntezeit im Herbst – dann, wenn besonders viel Arbeit ansteht – gibt es mit Gastarbeitenden vor Ort noch mehr helfende Hände.
Tradition und Innovation gehen Hand in Hand
Marco, Obstfachmann und Meisterlandwirt, ist auf dem Hof in Kirchdorf aufgewachsen. Dort wo sein Grossvater vor vielen Jahren mit Milchkühen angefangen und 1964 die erste Obstanlage gepflanzt hat. «Vor 10 Jahren haben wir dann mehr Fläche übernommen und auf Bio umgestellt», erzählt Marco. Und Paul fügt an, dass zeitgleich die Zusammenarbeit mit dem Grosshandel und ein paar Jahre später die Milchwirtschaft eingestellt worden seien.
Mir fällt sofort auf: Messerlis – und allen voran Marco – legen Wert auf Innovation, vergessen dabei aber auch die traditionellen Werte der Landwirtschaft nicht. Die Generationengemeinschaft sorge dafür, dass sich zukunftsgerichtetes und langlebiges Denken die Waagschalte halten, so Marco. Während sein Vater viel Erfahrung einbringe, juckt es ihn immer mal wieder, die eine oder andere kleine oder grosse Weiterentwicklung anzupacken.
Die im 2020 neu gebaute Obstlagerhalle mit Kühlraum, Sortieranlage und Büroräumen bietet Raum für 100 Tonnen Früchte. Dank modernster Messtechnik werden Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt ideal geregelt, so dass das geerntete Obst das ganze Jahr über bei idealen Bedingungen gelagert werden kann. Und den Strom für den Betrieb produzieren Messerlis mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach der Obstlagerhalle gleich selbst.
Selbstvermarktung: Es geht nichts (mehr) an den Grosshandel
12 der 29 Hektare werden mit Obst bewirtschaftet, hauptsächlich mit Äpfeln. Um die 15 Sorten werden jährlich vermarktet. Und ein Teil davon werde bei Krenger Äpfel in Wichtrach zu Most weiterverarbeitet, so Marco. Zudem produzieren Messerlis Birnen, Kirschen, Nektarinen und Zwetschgen. Und auf der restlichen Fläche wird Acker- und Futterbau betrieben.
Auch wenn der Aufwand grösser ist: Messerlis konzentrieren sich auf die regionale Selbstvermarktung. Ihr Obst wird auf Märkten in der Region und in regionalen Bio-Läden in Belp, Bern, Thun und Murten verkauft. Und Marco fügt an: «Selbstverständlich gibt es auch im hauseigenen ‘Apfelstore’ allergattigs Feins vom Apfel.»
«InnoBio Bern» kommt wie gerufen
Jetzt will ich sehen, wo all die Früchte herkommen. Nach einer kurzen Fahrt stehen wir auf einem der zahlreichen Apfelfelder von Messerli’s Bio-Obst. Dort lasse ich mir die innovative Projektidee der CO2-neutralen Obstproduktion, die nicht ohne Grund den InnoBio Bern- Förderpreis gewonnen hat, von Marco und Paul genauer erklären: «Für die CO2-neutrale Obstproduktion streben wir ein duales Nutzungssystem an», zeigt Marco auf. «Wir wollen die Obstbäume mit Solarpanelen bedeckten und damit Strom für die Bewirtschaftung der Obstanlagen produzieren, beispielsweise für den automatischen Mähroboter. Zudem könnten mit der Einspeisung ins Netz zusätzlich gar 200-250 Einfamilienhäuser mit Strom versorgt werden». Zugleich sollen die Panele als Hagel- und Schneeschutz dienen und die Obstbäume vor zu viel Nässe und somit vor Pilzbefall schützen, was wiederum zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln führen soll. Eine runde Sache: Insgesamt können so Kosten eingespart, das Wetter- und Ausfallrisiko minimiert und das Image für den Obstbau gestärkt werden.
Marco meint enthusiastisch: «Ein extrem komplexes, technisch herausforderndes und kostspieliges Projekt zur Entwicklung eines marktfähigen Produktes. Wir wollen nicht einfach warten, bis uns ein anderer die Lösung auf dem Serviertablett präsentiert. Wir wollen jetzt etwas machen». Erste Versuche dazu gäbe es bereits im Wallis und in Deutschland, jedoch mit Beeren statt mit Kernobst. Das sei halt schon nicht das gleiche: «Einjährige Kulturen sind weniger anspruchsvoll in der Pflege», so Marco. Der Besuch im Wallis sei wichtig gewesen, um einen ersten Eindruck zu erhalten. In Bezug auf die Bewirtschaftung von Kernobst erfordere das Projekt aber anderen Kriterien. Wichtiges Stichwort und grosses Thema: Licht! Paul erklärt: «Die Apfelbäume brauchen genügend Helligkeit, damit sie auch im Folgejahr noch Früchte tragen». Und das sei elementar: «schliesslich nutzen wir die Apfelbäume rund 20 Jahre». In einem ersten Feldversuch soll getestet werden, welche Apfelsorten mit welchen Solar-Modulen bedeckt werden könnten. Nicht jede Apfelsorte brauche gleich viel Licht. So müsse zuerst mal gepröbelt werden, wie viel Licht eine Apfelsorte brauche, damit sie auch genügend Ertrag abgeben werde.
Auf einem weiten Weg Schritt für Schritt vorwärts
Die CO2 neutrale-Anlage müsse viele weitere Kriterien erfüllen: Das Regenwasser auffangen, weil bedeckte Bäume weniger Wasser erhalten. Oder das Aushalten einer grossen Schneelast. Oder visuell ins Landschaftsbild passen. Oder die Integration einer automatisierten Frostbeneblung. Damit werden die Blüten bei Spätfrost mit Eisnebel besprüht, damit sie nicht erfrieren. Klingt unwahrscheinlich, funktioniert aber tadellos.
Jetzt gehe es aber zuerst darum, Daten zu sammeln, so Marco. Das mache eine niederprozentig extern angestellte Fachperson. Danach müsse man sich Gedanken machen, welche Konstruktionen sich eignen könnten. «Ziel ist, im Frühling des nächsten Jahres ein Baugesuch einzureichen, so dass in circa einem Jahr erste Bäume gepflanzt und Konstruktionen gebaut werden können», ist Marco hoffnungsvoll. Bis dahin sei es aber noch ein weiter und vielleicht auch etwas steiniger Weg.
Und so mache auch ich mich auf den Rückweg, einen glänzigrotschimmernden Apfel in der Hand, um die herbstliche Erkältungswelle weit weg zu halten, wie ein altes Sprichwort sagt: «An apple a day keeps the doctor away».