Vom konventionellen Landbau zum Bio-Zertifikat

«Bis zum 31. Dezember meldet sich die Betriebsleiterin oder der Betriebsleiter beim kantonalen Landwirtschaftsamt, bei der Kontroll- und Zertifizierungsstelle und bei Bedarf auch beim Labelgeber Bio Suisse an», erklärt Mirjam Held. Die Rede ist von der Umstellung vom konventionellen auf den biologischen Landbau. Im Idealfall lasse sich die betriebsleitende Person vor der Umstellung beraten und mache ihren Betrieb fit für die Produktion nach Bio-Vorgaben. Dazu kann entweder ein Beratungsdienst – beispielsweise beim INFORAMA – oder ein «Umstellungscheck» von der Kontroll- und Zertifizierungsstelle in Anspruch genommen werden. Bei zweiterem werden vor Ort betriebsspezifische Punkte für die Umstellung sowie mögliche Stolpersteine bei der Kontrolle besprochen. «Ziel ist, dass Betriebsleitende ab Beginn der Umstellung bereit sind, sämtliche Vorgaben einzuhalten», so Held.

Die erste Kontrolle wird bis Mitte April des Folgejahres durchgeführt. Danach folgt die Zertifizierung. Der Betrieb erhält ein Umstellungs-Zertifikat, so dass die Produkte während zwei Jahren als Umstellungsware vermarktet werden können. In dieser Zeit werden allfällige im Biolandbau nicht zugelassene Hilfsstoffe im Boden abgebaut. Nach erfolgreicher Umstellungszeit erhält der Betrieb ein neues Zertifikat für die Vermarktung von Bio- und allenfalls auch Knospe-Produkten.

Bio Test Agro AG kommt auch ohne Anmeldung zu Besuch

Die Bio-Kontrolle findet jährlich und in der Regel nach telefonischer Voranmeldung statt. Je nach Vereinbarung mit den kantonalen Landwirtschaftsämtern werden im Auftrag vom Kanton weitere Kontrollen, zum Beispiel Tierschutz, Ökologischer Leistungsnachweis (ÖLN) oder Biodiversität durchgeführt. «Das Team Landwirtschaft kombiniert wo sinnvoll und möglich die Aufträge der Kantone mit der Bio-Kontrolle», so Held. Und es würden im Auftrag der Kantone und des Bundesamts für Landwirtschaft BLW auch unangemeldete Kontrollen oder Stichproben durchgeführt.

Nebst den kantonalen Aufträgen bildet die Risikobewertung die Grundlage für Kontrollbesuche. Ein Betrieb wird je nach Grösse, Spezialisierung, Komplexität oder Abweichungen in den Vorjahren in eine Risikokategorie eingeteilt. Die Kontrollfrequenz richtet sich nach der Risikostufe. Diese Regel stellt sicher, dass auch ohne Voranmeldung alle Richtlinien eingehalten werden.

Mirjam Held betont die Wichtigkeit des Praxisbezugs: «denn für die Kontrolle der Betriebe arbeiten bei Bio Test Agro Praktikerinnen und Praktiker aus der Landwirtschaft». Vetterliwirtschaft wird durch die strengen Vorschriften zur Unparteilichkeit verhindert. «Es darf keine geschäftliche, freund- oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen kontrollierender Person und Betrieb bestehen. Wichtig ist eine unabhängige Kontrollperson mit für den Betrieb passenden Fachkenntnissen. Zudem trennen wir Kontrolle und Zertifizierung strikt voneinander», erklärt Held. Das bedeutet, dass die Kontrolleurin oder der Kontrolleur mit Checklisten auf den Betrieb geht, während eine weitere Person die gesammelten Daten verifiziert und ein Zertifikat ausstellt», führt sie aus.

Was will denn alles kontrolliert sein?

Die Kontrollperson beurteilt zum Beispiel, ob gelagertes Saatgut, Futtermittel oder die Tierhaltung den Verordnungen und Richtlinien entsprechen. Ein Gespräch mit dem Betriebsleiter klärt offene Fragen. Allfällige Abweichungen werden aufgezeigt und besprochen. «Landwirtschaftsbetriebe haben eine umfassende Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht», betont Held, und fügt an: «Die Journale, Belege und Nachweise sowie die Nährstoffbilanz werden kontrolliert und anhand eines Inspektionsberichts festgehalten. Abweichungen werden aufgezeigt, bevor beide Parteien den Bericht unterzeichnen».

Nach Abschluss der Kontrolle übernimmt der Bereich Zertifizierung das Dossier, dokumentiert allfällige Sanktionen und erstellt Zertifikatsbericht und Zertifikat, bei der Vermarktung von Bio-Produkten zusätzlich eine Produkteliste.

Nicht zu vergessen: Auch als Kontrollstelle muss man sich an viele Vorschriften halten. So erfolgen regelmässige Kontrollen durch die Auftraggebenden und die Akkreditierungsstelle – zur Sicherstellung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Qualität.

Und was ist geregelt?

Die Bio-Verordnung und insbesondere die Bio Suisse Richtlinien zielen auf einen ganzheitlichen Kreislauf ab. Mirjam Held präzisiert: «Ein Grundsatz aus den Bio Suisse-Richtlinien ist ‘Wir arbeiten mit Kopf, Herz und Hand täglich an unserer gemeinsamen Vision’. Im Kern steht so das Zusammenspiel von ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansätzen, die in den umfassenden Richtlinien geregelt sind». Dabei werden nebst Stallmassen, Auslaufvorschriften und hohen Anforderungen ans Tierwohl auch die schonende Bodenbearbeitung und die Regeln an die Fruchtfolge festgehalten. Der Umwelt wird mit PVC-freien Verpackungsmaterialien und dem Verbot von chemisch-synthetischen Hilfsmitteln Sorge getragen. Zudem haben alle Mitarbeitenden gleiche Rechte und Anstellungsbedingungen. All dies berücksichtige ein Bio-Betrieb und werde von der Bio Test Agro kontrolliert, erklärt Held.

Bioverordnung oder Bio Suisse? Am besten beides!

«Die meisten Landwirtschaftsbetriebe produzieren nach den Richtlinien von Bio Suisse, weil Gross- und Detailhandel für landwirtschaftliche Produkte wie Milch oder Fleisch die Knospe voraussetzen», weiss Held. Mitunter also ein Grund, warum deutlich weniger Betriebe ausschliesslich nach Bio-Verordnung produzieren. Aber Held betont: «Landwirtschaftliche Betriebe können Ihrer Kundschaft mit den Zertifikaten und den Labels auf ihren Lebensmitteln zeigen, dass sie zur Umwelt Sorge tragen». So wünscht sie sich auch, dass Kontrollen als Chance und nicht als lästige Pflicht gesehen werden.

Auch wenn der Weg zu biologisch produzierten Lebensmitteln lang ist: Bio-Kontrollen und -Zertifizierungen tragen massgebend dazu bei, dass der Wert von biologisch produzierten Lebensmitteln erhalten bleibt und landwirtschaftliche Betriebe wie auch Konsumenten und Konsumentinnen mit ausgezeichneten Produkten belohnt werden.

Mirjam Held (31) ist Agronomin, Bereichsleiterin Landwirtschaft und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bio Test Agro AG. Sie absolvierte eine Lehre zur Landwirtin und studierte Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen. Im Jahr 2017 übernahm sie zusammen mit ihrem Partner den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb und war gleichzeitig einige Jahre in der Milchbranche tätig. Der Betrieb wurde fortan biologisch bewirtschaftet. Dadurch war das Interesse an der biologischen Landwirtschaft geweckt. Mit der Stelle bei der Bio Test Agro AG kann Mirjam Held ihr Interesse an der Bio-Landwirtschaft mit ihrer Tätigkeit auf dem Betrieb vereinen.

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