Regula war viele Jahre als Bio-Beraterin unterwegs und hatte immer wieder Berührungspunkte mit der Alternativmedizin. Ihre Faszination, Tiere alternativ und ohne Antibiotika zu pflegen, wuchs und wuchs. Im Selbststudium, aber auch durch regelmässige Kurse, eignete sie sich ihr heutiges Homöopathie-Wissen an.

Der unkonventionelle Weg

Geholfen hat ihr unter anderem der stete Austausch in einer Interessensgemeinschaft der Tierhomöopathie – und vor allem die Plattform kometian. Der 2015 gegründete Verein bietet nebst Kursen und Literatur auch eine 24h-Hotline an. Dort können sich Tierhalterinnen und Tierhalter – darunter auch Landwirtinnen und Landwirte – jederzeit für eine Beratung melden. Solche niederschwelligen Angebote sind wichtig, damit sich Landwirtinnen und Landwirte wie Regula und Luzi trauen, einen anderen Weg zu gehen. «Wenn man als Landwirtspaar im Berner Oberland etwas unkonventionell denkt, kann das manchmal schon hier und da etwas anecken», meint Luzi. Es sei aber schön, dass man vielerorts bereits ein Umdenken bemerkt und die Homöopathie immer mehr den Weg zu den Landwirtinnen und Landwirten findet. Was es noch braucht, ist vor allem eine höhere Akzeptanz bei den Tierärztinnen und Tierärzten. Mit dem Vorwurf, man reagiert gegen das Tierwohl, wenn man keine Antibiotika verabreicht, wird auch die Familie Etter ab und zu noch konfrontiert. Doch Regula und Luzi können mit Stolz gute Beispiele aufzeigen, bei denen die Homöopathie sogar besser wirkte als herkömmliche Antibiotika. Der Wechsel in die Alternativmedizin ist für die beiden nicht mehr wegzudenken; Sie gehört einfach zu ihrem Verständnis für nachhaltige Landwirtschaft dazu.

«Dass man immer eine Anlaufstelle für Fragen und Probleme hat, das hilft sehr. Wenn wir einmal nicht weiter wissen oder bei einer Behandlung nicht vorwärtskommen, haben wir eine Anlaufstelle, wo wir schnell und einfach zugänglich professionelle Beratung erhalten.»

Regula Etter, Wydihof

Tiere ganzheitlich betrachten

Die Aufgabenteilung zwischen Regula und Luzi ist klar: Während sich Luzi meist ums Füttern und Misten kümmert und sich mit der Buchhaltung und den Maschinen auf dem Hof rumschlägt, betreut Regula die Kälber und Schafe und melkt die Kühe. Sie ist ausserdem zuständig für die Direktvermarktung der Hofprodukte und ist die Tiermedizinerin auf dem Hof. Letzteres ist mit viel Arbeit und Zeit verbunden. Denn: Wer auf Tierhomöopathie und Alternativmedizin setzt, beschäftigt sich meist lange und intensiv mit den Tieren.

Bei der Tierhomöopathie ist es zentral, schon früh auf den veränderten Zustand des Tieres zu achten. Dazu gehört zum Beispiel der Zustand der Schleimhäute, aber auch das Verhalten des Tieres ganz allgemein. Wie gut sich das Tier um ihr Junges kümmert, wie es frisst, wie aktiv das Tier noch ist und weitere Anzeichen helfen Regula und Luzi bei der Anamnese eines kränkelnden Tieres. So können sie schnell reagieren und eine erste Behandlung einleiten. Die beiden nehmen sich sehr viel Zeit für ihre Tiere und kennen das Verhalten jeder einzelnen Kuh, jedes Schafes und jeder Ziege. Diese zeitaufwendige Behandlung widerspiegelt sich im Tierwohl wieder. Auf dem Wydihof gibt es wenig kranke Tiere und nur äusserst selten muss Antibiotika eingesetzt werden.

Der Wydihof bietet verschiedene Hofprodukte: Die beliebten Bio-Weidebeef- und Lammmischpakete sowie Schafwürste, Honig und ein umfangreiches Käsesortiment. Die Hofprodukte können via Webseite oder per Mail bestellt oder vor Ort abgeholt werden. Ein Besuch des Wydihofs in Unterseen lohnt sich gleich doppelt: Nebst den Produkten aus dem Hof-Automaten kommt beim Besuch auf dem «Bödeli» zwischen Thuner- und Brienzersee immer etwas Ferienstimmung auf.

«Zur Alternativmedizin gehört vor allem auch, dass man sich mehr Zeit nimmt für die Tiere, sie intensiver beobachtet und ihren Gesundheitszustand ganzheitlich betrachtet. So können Krankheiten oft frühzeitig erkannt werden. Und das spart uns dann auch Kummer, weil wir schnell reagieren können.»

Luzi Etter, Wydihof

Grösste Gefahr auf der Alp

Sobald es wärmer wird, dürfen die Kühe der Familie Etter während rund 100 Tagen auf die Alp in die «Sommerferien». Während die Kühe in die Höhe ziehen, müssen Regula und Luzi auch die Verantwortung und Kontrolle etwas abgeben. Auf der Alp ist nämlich das Beobachten und das frühe Reagieren schwieriger. Etters können nämlich nicht täglich bei den Kühen sein.

Die Alp ist abgelegen und oft ist das Telefon zum Älpler die einzige Möglichkeit, den Zustand der Kühe abzufragen. Zudem sind die Kühe der Etters auf der Alp mit vielen anderen Tieren zusammen. Das erhöht die Krankheits- und Verletzungsgefahr stark und sorgt für mehr medizinische Zwischenfälle, Doch auch hierfür haben Regula und Luzi eine gute Lösung gefunden: Auf der Alp gibt es eine Notfall-Homöopathie-Apotheke, die mit telefonischer Beratung durch Regula vom Älpler eingesetzt wird. Und wenn doch eine Visite auf der Alp nötig wird, geht’s mit einem vollgepackten Homöopathie-Rucksack den dreistündigen Weg mit Auto, Seilbahn und zu Fuss hoch.

Bei Familie Etter hat das Tierwohl immer Priorität.

Regula aus dem Berner Oberland und Luzi aus dem Oberengadin: Beide haben ihr Leben der Landwirtschaft verschrieben, schlossen die Lehre als Landwirtin bzw. Landwirt ab und studierten Agronomie an der Berner Fachhochschule BFH-HAFL, genau dort lernten sie sich auch kennen. Die beiden arbeiten seit 2006 auf dem Hof von Regulas Eltern, haben diesen 2012 übernommen und nach einigen Renovierungen und strukturellen Anpassungen im Jahr 2016 bio-zertifizieren lassen. 2007 und 2009 kamen ihre beiden Söhne Jon und Niculin zur Welt, die ihren Eltern seither tatkräftig unter die Arme greifen. Auf die Frage, wieso sich Luzi und Regula für das Berner Oberland entschieden haben, antworten beide lachend: «Im Engadin ist’s einfach viel zu kalt!»

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