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Mit der seit 2020 erlaubten Hoftötung entfällt der Transport der lebenden Tiere zum Schlachtbetrieb. Der Transport bedeutet Stress für die Tiere, denn er beinhaltet viel Unbekanntes: das Ver- und Abladen, eine neue Umgebung mit ungewohnter Geräuschkulisse während dem Transport, die Trennung von der vertrauten Herde, je nach Transport die Zusammenführung zu neuen, fremden Artgenossen und den Kontakt zu unbekannten Personen.

Der Cortisolgehalt – das wichtigste Merkmal zur Messung von physiologischem Stress – ist gemäss Studien bei Tieren, die im Schlachthof getötet werden, im Schnitt rund zwanzigmal höher als bei Tieren, die auf dem Hof sterben. Stress bei der Schlachtung kann zu verminderter Fleischqualität führen.

«Wir haben die Tiere früher selbst zum ca. 40 Minuten entfernten Schlachtlokal transportiert. Das war immer herausfordernd, sowohl für die Tiere wie auch für mich», erzählt Andreas Scheurer. «Ich will, dass es meine Tiere von der Geburt bis zum Tod guthaben. Das kann ich dank der Hoftötung gewährleisten.» Seither schläft der Landwirt vom Biohof Scheurer in Kallnach vor dem Schlachttermin besser und die Rinder sind ruhiger.

Abschiedsritual vor dem Bolzenschuss

Das Tier, das getötet werden soll, gewöhnt sich rund drei Tage vor dem Schlachttermin beim Biohof Scheurer in Kallnach zum Fressen an ein spezielles Selbstfanggitter. Der Rest der Herde ist immer in seiner Nähe. Vor dem Schlachttermin kommt jemand vom Veterinäramt vorbei und begutachtet das Tier. «Lebendtierschau» wird die vorgeschriebene Prüfung der Gesundheit des Tieres im Fachjargon genannt

Am Schlachttag wird das Tier im Selbstfanggitter fixiert. Scheurer steht daneben, krault es am Hals und bedankt sich beim Tier. «Das gehört zu unserem Abschiedsritual», meint er nachdenklich. Es sei jedes Mal traurig, ein Tier gehen zu lassen. Doch das gehöre dazu, wenn man Fleisch essen wolle.

Das Tier kann sich nun nicht mehr aus dem Fanggitter befreien. Es frisst sein Heu und scheint ganz ruhig zu sein. Währenddessen folgt die Betäubung mit einem üblichen Bolzenschussgerät. Der Rest der Herde steht nebenan und schaut neugierig zu. «Die anderen Tiere reagieren weder geschockt noch verängstigt», beschreibt Scheurer diesen Moment.

Die Betäubungswirkung wird unmittelbar nach der Betäubung überprüft. Dies geschieht mittels Kontrolle des Augenreflexes. Bei unzureichender Betäubungswirkung ist der Betäubungsvorgang sofort erneut auszuführen.

Das betäubte Tier wird mit einer speziellen Zugvorrichtung in einen dafür konzipierten Schlachtanhänger gezogen. Dort wird mit einem Bruststich die Herzschlagader geöffnet. Es wird ausgeblutet. Gemäss Gesetz bleiben nach der Betäubung 60 Sekunden Zeit, um den tödlichen Stich auszuführen.

Scheurer arbeitet mit der Firma Platzhirsch AG zusammen. Diese stellt die ganze Einrichtung zur Verfügung und übernimmt den Bolzenschuss und den Transport des Schlachtkörpers zum Schlachtlokal.

Ausweiden bei der Dorfmetzgerei

Nach dem Ausbluten wird das tote Tier im Anhänger für den restlichen Schlachtprozess in das Schlachtlokal transportiert. Zwischen dem Entbluten und dem Ausweiden durften bis vor kurzem maximal 45 Minuten vergehen. Das stellte für einige abgelegene Betriebe eine nicht überwindbare Hürde dar, auf Hoftötung umzusteigen, weil das Schlachtlokal zu weit entfernt lag. Seit kurzem sind nun maximal 90 Minuten erlaubt. Scheurer hat Glück. Die Fahrt zur Dorfmetzgerei dauert bloss knapp 3 Minuten.

Im Schlachtlokal ziehen zwei Metzger das leblose Tier aus dem Anhänger heraus. Dort wird es gehäutet und ausgeweidet. Bevor das Fleisch in Hälften in den Kühlraum gebracht wird, kommt wiederum ein Tierarzt oder Tierärztin vorbei und gibt durch die sogenannte Fleischschau das Fleisch zum Verkauf frei.

Kundinnen und Kunden, die bewusst Fleisch essen

Nach drei Wochen schneiden die Metzger das Fleisch in küchenfertige Stücke. Andreas Scheurer packt es anschliessend mit seinem Team in kleine Portionen ab, vakuumiert es und vertreibt es in der Direktvermarktung. Das heisst, die Kundinnen und Kunden bestellen das Fleisch direkt bei ihm und holen es auf dem Hof ab. In den 10 Kilogramm Mischpaketen erhalten sie nebst den Edelstücken wie Filets und Entrecôtes auch Hackfleisch, Siedfleisch, Geschnetzeltes und Hamburger. Nach dem Ansatz «From Nose to tail» – also buchstäblich von der Nase bis zum Schwanz – will Scheurer möglichst das ganze Tier verwerten und auch weniger bekannte und beliebte Stücke an die Kundinnen und Kunden bringen. Seit er die Tiere auf dem Hof tötet, hat er seinen Kundenstamm erweitern können. «Es kommen vor allem Kundinnen und Kunden zu uns, die bewusst Fleisch essen, die wissen wollen, wie die Tiere gehalten und getötet werden und denen der Aspekt der Nachhaltigkeit wichtig ist», erklärt er.

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