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Tiere von Biobetrieben werden besonders artgerecht gehalten und gefüttert. Sie sterben in aller Regel aber wie alle anderen: im Schlachthof. Denn: Sowohl in der Bioverordnung des Bundes als auch in den Richtlinien von Bio Suisse fehlen Vorschriften zu einer stressfreien Tötung.

Die Palette an möglichen Stressfaktoren für die Tiere ist breit, bis sie dann im Schlachthof getötet werden:

  • Ver- und Abladen ins und aus dem Transportfahrzeug
  • neue Umgebung mit ungewohnter Geräuschkulisse während dem Transport
  • fremde Artgenossen im Transportfahrzeug
  • Separation von der vertrauten Herde
  • Kontakt mit unbekannten Personen
  • lange Wartezeiten
  • körperliche Belastung während des Transports (verursacht durch die Bewegung des Transportfahrzeuges und Temperaturschwankungen)

Eine Möglichkeit, den Stress zu minimieren, ist die Tötung der Tiere auf dem Hof. Die Hoftötung in der gewohnten Umgebung ist in der Schweiz seit Juli 2020 erlaubt.

Bolzenschuss auf dem Hof, Transport zum Schlachthof

Bei der Hoftötung bleiben dem Tier die Trennung von seiner Herde, der belastende Transport und die oft langen Wartezeiten im Schlachthof, in der Regel zusammen mit anderen verunsicherten Tieren, erspart.

Das Tier wird auf dem Hof in einem speziellen Abteil des Fressbereichs im Selbstfanggatter fixiert (vgl. Titelfoto). Meist ist es sich dies von der täglichen Fütterung her schon gewohnt, oder es wird einige Tage vor dem Schlachttermin an das Selbstfanggitter angewöhnt. Ein Dienstleister mit einer entsprechenden Ausbildung betäubt das Tier mit einem Bolzenschussgerät und zieht es anschliessend in eine mobile Schlachteinheit. Dort öffnet er mit einem Bruststich die Herzschlagader und blutet das Tier aus. Das tote Tier kommt für den restlichen Schlachtprozess in das nahegelegene Schlachtlokal. Zwischen der Hoftötung und der Ausweidung im Schlachtlokal dürfen gemäss Lebensmittelgesetz nicht mehr als 90 Minuten vergehen. Im Schlachtlokal ist der Ablauf dann derselbe wie bei einer herkömmlichen Schlachtung. Der Unterschied der Hoftötung besteht lediglich darin, dass der erste Teil – das Betäuben und Entbluten – direkt auf dem Hof geschieht.

Bislang 26 Bewilligungen im Kanton Bern erteilt

Damit eine Hoftötung möglich ist, muss der Dienstleister, der die Hoftötung anbietet, über eine entsprechende Ausbildung verfügen und die Tierhalterin oder der Tierhalter im Besitz einer vom Amt für Veterinärwesen AVET ausgestellten Bewilligung sein. Das AVET hat im Kanton Bern aktuell bereits 26 Bewilligungen erteilt (Stand April 2024).

Weitere Rahmenbedingungen sind die Einhaltung der Hygieneanforderungen und die Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung durch den Veterinär. Ausserdem muss ein Tier eine gewisse Zeit auf dem Hof verbracht haben. Es geht also nicht, dass die Tiere auf einen Betrieb gebracht werden, der über eine Bewilligung verfügt.

Die Hoftötung von Rindern ist in der Schweiz bereits gut etabliert. In jüngster Zeit werden auch vermehrt Schweine und Kleinwiederkäuer und Geflügel auf dem Hof getötet. Die Anforderungen hierfür weichen leicht von der Hoftötung von Rindern ab. Weitere Infos finden sich hier.

Weniger Stresshormone im Blut und teureres Fleisch

Die Anzahl Tiere, die während einer Hoftötung geschlachtet werden können, ist im Vergleich zum industriellen Grossschlachthof sehr begrenzt. Dazu kommt, dass die Tötung auf dem Hof mehr kostet und zeitintensiver ist. Das bedeutet, dass die Kundinnen und Kunden auch bereit sein müssen, einen höheren Preis für das Fleisch aus Hoftötung zu bezahlen.

Zum Schluss noch dies: Der Cortisolgehalt im Blut ‒ das wichtigste Merkmal zur Messung von physiologischem Stress ‒ ist gemäss einer Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FiBL im Schnitt bei einem Tier, das im Schlachthof getötet wird, zwanzigmal höher als bei den Hoftötungen. Der Einfluss unterschiedlicher Schlachtmethoden auf die Fleischqualität ist noch Gegenstand der Forschung.

Weitere Informationen gibt’s hier
Bioaktuell.ch: Häufige Fragen zur Hof- und Weidetötung
Bioaktuell.ch: Gesuche, Checklisten und Vereinbarungen für die Hof- und Weidetötung
FiBL – Podcast: Hoftötung – Eine Landwirtin erzählt
FiBL – Podcast: Sterben ohne Stress – Die Hof- und Weidetötung von Rindern
Story «Tiere sollen es von Geburt bis zum Tod gut haben – oder wie Rinder dank der Hoftötung bis zum Schluss bei der Herde bleiben können» (Veröffentlichung folgt auf bald auf www.bernistbio.ch)

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