Eine Plattform für alle Bedürfnisse

Ich sitze mit Oliver Gaede in der gemütlichen Lounge der Bio Suisse Geschäftsstelle, wo er mich in das im Jahr 2018 lancierte Projekt Biomondo einweiht. Gaede erzählt: «Bei Bio Suisse existierten verschiedene Projektideen, welche sich alle um die Abbildung von Angebot und Nachfrage drehten.» Es stand also die Frage im Raum, wie Angebot und Nachfrage von Konsumierenden, Produzierenden, Verarbeitung und Handel unter einen Hut gebracht werden können. So entstand die Idee, die diversen Bedürfnisse aus Sicht der Bio-Höfe auf einer zentralen Plattform abzubilden. Biomondo war geboren!

Über die online-Plattform werden Futtermittel, Tiere oder Maschinen für landwirtschaftliche Betriebe angeboten. Konsumentinnen und Konsumenten können Produkte direkt ab Hof kaufen und der für die Gastronomie findet sich ein breites en Gros-Angebot. Vereinfacht gesagt: Biomondo bietet eine Plattform für Produzierende und fördert den Absatz und den Handel von Bio-Produkten ab Hof.

«Wir haben beobachtet, dass Abnehmerinnen und Abnehmer primär nach Produkten suchen», erklärt Oliver Gaede. Die Suche nach Bio-Äpfeln ergibt eine Liste von nahe gelegenen Bio-Höfen, die das gewünschte Produkt auch anbieten. «Momentan ist es noch so, dass die Konsumentin oder der Konsument dem gewünschten Hof zur Aufgabe einer Bestellung eine E-Mail schreiben oder anrufen muss», berichtet der Projektkoordinator. Das Projekt soll aber Ende dieses Jahres so weit sein, dass Produkte von verschiedenen Höfen gleichzeitig in einen Warenkorb gelegt und bestellt werden können.

Abosysteme bleiben eine Nische

«Abosysteme sind und werden eine Nische bleiben», meint Gaede. Ein Abo bietet Menschen mit hoher Identifikation zu biologischen und nachhaltigen Lebensmitteln ein wöchentliches nach Hause geliefertes oder zur Abholung bereit gestelltes saisonales Warenpaket an. Welche Produkte geliefert werden, entscheidet der landwirtschaftliche Betrieb. Der Kunde erhält, was gerade Saison hat und vorhanden ist. Da funktioniert Biomondo anders: Die Kundin kann sowohl die gewünschten Produkte als auch die benötigte Menge selbst definieren.

Auf Biomondo ist die Preissetzung komplett transparent und somit fair für alle Seiten. «Im Gegensatz zu anderen Plattformen bestimmt der Bio-Hof die Preise selbst», erklärt Gaede. Somit steht jedem Bio-Betrieb in der Schweiz ein gratis Online-Shop zur Verfügung. Biomondo verrechnet – komplett transparent – lediglich eine Marge für die Deckung der Entwicklungs- und Bewerbungskosten. Der Rest wandert direkt auf den Hof. So ist die Wertschöpfung aus wirtschaftlicher Sicht auch für den Betrieb attraktiv.

Mammutaufgabe Logistik

«Die schweizweite Lieferung ab Hof direkt zur Konsumentin und zum Konsumenten ist eine Aufgabe, die heute noch ungelöst ist», erklärt Projektleiter Oliver Gaede. Ziel ist, jeden Einkauf auch ab unterschiedlichen Höfen mit einer Lieferung nach Hause zu bringen. Eine Mammutaufgabe, die Biomondo nicht erst seit gestern beschäftigt.

Konkret wird’s bald in Bern, mit einem Pilotprojekt im Sommer 2023. Mit Rikscha Taxi wurde der dafür passende Partner gefunden. Der Name mag etwas erstaunen: Rikschas sind Gefährte, die einem in Städten von A nach B bringen. Rikscha Taxi bietet ökologische und effiziente Logistiklösung im Bereich City-Logistik und übernahm während den Corona-Jahren die Testlogistik für einige Schweizer Städte. Auch das war eine Mammutaufgabe. Die Berner Haushalte dürfen sich also kommendes Jahr auf einen Pilotversuch freuen.

Der Sprung in die Öffentlichkeit

Biomondo gibt’s nicht nur als Website. Im Rahmen des Pop-ups von Bärenhunger im Bahnhof Bern ist Biomondo mit leckeren Bio-Produkten ab Hof noch bis zum 3. November 2022 im Berner Bahnhof vertreten. «Die Produktvermarktung funktioniert vor allem dann, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten etwas probieren können», sind sich Oliver Gaede und Landwirt und Lieferant der «Znüniwürstli, Beat Garo, einig. Trotzdem habe er über im Pop-up noch nicht viele seiner Köstlichkeiten verkauft. Das Bewusstsein für neue und nachhaltige Produkte habe in den vergangenen Monaten gelitten, stellt Beat Garo fest. Boomte während den zwei Pandemiejahren der Verkauf ab Hof, so habe es nun einen starken Einbruch gegeben. «Wenn die Preise für Energie und Lebenserhaltungskosten steigen, schauen die Leute beim Lebensmitteleinkauf eher aufs Portemonnaie», meint der Landwirt. Schade, denn die Möglichkeit, biologisch einzukaufen, sei ja wirklich attraktiv.

Der Garohof in Tschugg ist Partnerbetrieb von Biomondo und liefert das «Znüniwürstli» ins Pop-up in Bern. Der Bio-Hof bietet Natura-Beef und setzt sich für den Erhalt der Biodiversität ein. Zudem finden Tierfreunde auf dem Hof eine Naturheilpraxis für Gross- und Kleintiere.

Biomondo quo vadis?

«Wir wollen DER Marktplatz der Schweizer Bio-Landwirtschaft werden», beschreibt Oliver Gaede die Vision von Biomondo, «und wir möchten, dass Kundinnen und Kunden ihren Wocheneinkauf bei lokalen Bio-Höfen auf nur einer Plattform abwickeln können – einfach und effizient.» Biomondo soll eine Alternative zu etablierten Vertriebskanälen werden. Klar stecke das Projekt momentan noch in den Kinderschuhen, die nächsten Entwicklungsschritte sollen aber zentrale Bedürfnisse erfüllen. Der Mehrwert für Konsumierende wird vor allem mit der Möglichkeit von Bestellung und Zahlung sowie mit der Lieferung der Produkte spürbar werden. Diese Entwicklungen werden Biomondo Schub verleihen, ist Gaede überzeugt.

Und Garo meint: «Um Biomondo als Plattform und als neue Vermarktungsmöglichkeit bekanntzumachen, ist der direkte Kontakt mit Konsumentinnen und Konsumenten weiterhin wichtig». Das Persönliche dürfe nicht zu kurz kommen. Denn, wie Menschen «ticken», sei eine Wissenschaft für sich.

Wo die Reise von Biomondo hingeht, wird die Zukunft zeigen. Aber eines ist sicher: Ein Küchen- und Kühlschrank voller Bio-Lebensmittel direkt ab Hof, und das ohne aufwändige Einkaufstouren? Mir gefällt die Idee.

Auf ins Pop-up

Wer Biomondo persönlich kennenlernen will, der oder die begibt sich am besten auf einen Leckerbissen ins Pop-up von Bärenhunger im Adrianos Café am Bahnhof Bern. Dort wird Biomondo so richtig erlebbar.

Oliver Gaede arbeitet seit sechs Jahren für Bio Suisse und ist der Initiator des Projekts «Biomondo». Bereits während seines Studiums «Food Sciences» an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) schrieb er leidenschaftlich gerne Excel-Tabellen, welche auch seine Mitstudierenden benutzen konnten. Nach dem Studium arbeitete er in der Schokoladenfabrik Gysi in Bern als Einkäufer und beschäftigte sich intensiv mit Supply Chain Management (Management der logistischen Wertschöpfungskette). Bei Bio Suisse startete er dann in der Rolle als Projektleiter für ein Warenflusssystem. So war der Sprung ins Bio Suisse- IT-Team nicht mehr gross.

Kommentar