Sie haben bereits 30 Kühe gemolken, Feuer gemacht und die rund 250 Liter Milch im Kupferkessel erhitzt. Erst wenn die richtige Temperatur erreicht ist, wird mit Lab und einer täglich frisch hergestellten Fettsirtenkultur die Verwandlung gestartet. Das Elixier aus der Natur braucht eine halbe Stunde Ruhe. Jetzt ist Zeit fürs Zmorge bei der Familie Perreten.

Draussen vor der Alphütte bimmeln derweil die Kühe, laben sich am frischen Wasser vom Brunnen und trotten davon, auf der Suche nach den aromatischen Kräutern an den steilen Hängen. Der Blick ins Tal reicht bis Gstaad und im Gegenlicht thront das Spitzhore. In der Alphütte befindet sich die Käserei, der Milchraum und dahinter der Stall. Die Alphütte dient auch als Wohnraum für David und Marlies Perreten, sie verbringen mit ihren beiden Kindern hier oben den Sommer. Von Juni bis August produzieren sie ausnahmslos jeden Tag Alpkäse aus Rohmilch des gehörnten Rätischen Grauviehs. David ist stolz auf seine ProSpecieRara-Rasse, kennt seine Tiere beim Namen. Spitzhörner hier, das grosse «Spitzhore» dort, inspirierte zum Slogan «Milch von Kühen mit Horn» und zum Namen der Käserei. Und für ihn ist Bio nicht nur ein Label, sondern die Einstellung, gesunde Lebensmittel naturnah und nachhaltig zu produzieren. Natürlich gilt das nicht nur für den Berner Alpkäse, der heute entsteht, sondern für das gesamte Sortiment wie Mutschli, Raclettekäse, Vacherin und Spitzhorn Extra.

Alles muss stimmen

Marlies prüft mit dem Finger die Konsistenz und schaut auf die Uhr. «Jetzt sind es 32 Minuten», sagt sie, bevor sie zwei grosse Kellen in die Masse taucht und den «Bodensatz», mit der Konsistenz von stichfestem Joghurt, vorsichtig nach oben zieht. Das sieht meditativ aus, braucht aber Kraft. Anschliessend zerschneidet sie mit der Harfe die Käsemasse zu Körnern. Hat dieser «Bruch» die richtige Korngrösse, kommt das Rührwerk (gespiesen mit einer 12V-Autobatterie) zum Einsatz. «Jetzt ist es sehr wichtig, dass immer gerührt wird, sonst kleben die Käsekörner wieder aneinander», erklärt Marlies.

David’s Vater Walo, der beim Käsen hilft, legt jetzt ein paar Holzscheite nach. Zusammen schieben sie das schwere Kessi wieder über das Feuer. Die Käseherstellung über dem Feuer verleiht dem Käse oft eine leichte Rauchnote. Unter stetigem Rühren erhitzen sie den Inhalt auf 52°C. Temperaturen und Arbeitsschritte sind in einem Pflichtenheft geregelt, damit echter Berner Alpkäse und Berner Hobelkäse entsteht. Die beiden Käsesorten werden ausschliesslich zur Sömmerungszeit auf den Alpen des Berner Oberlandes hergestellt. Sie sind seit 2004 im Register der geschützten Ursprungsbezeichung, AOC (Appellation d’Origine Contrôlée), eingetragen – ihr Ursprung reicht jedoch bis ins 15. Jahrhundert zurück.

Eigene Milchsäurebakterien

Auf dem Holzherd sterilisiert Walo einen kleinen Behälter im kochenden Wasser, bevor er ihn mit etwas Molke füllt. «Für den Berner Alpkäse benützen wir eine eigene Fettsirtenkultur, die wir über den ganzen Sommer täglich selber weiterziehen.» Sie ist verantwortlich für die richtige Gärung während der Produktion und Reifezeit. In der Molke – auch Schotte oder Sirte genannt – befinden sich neben weiteren wertvollen Inhaltstoffen auch Milchsäurebakterien. Allfällige schädliche Bakterien (z.B. Coli oder Hefen) werden beim Erhitzen auf über 61°C abgetötet. Danach wird auf 42°C abgekühlt und die Kultur bis zum nächsten Morgen in den Thermoskannen aufbewahrt und erneut zum Käsen gebraucht.

Marlies und Walo arbeiten konzentriert, mit geübten Handgriffen, ohne Hektik. Der digitale Thermometer zeigt 52.6°C, es ist so weit: Das Kessi kommt vom Feuer. Alles ist vorbereitet, um die Käsemasse mit einem Tuch aus der Molke zu fischen. Marlies und Walo tauchen jeweils zwei Enden des Tuches ins Kessi und bündeln ihren Fang, bevor sie ihn mit einem Flaschenzug rausziehen und in die vorbereitete Käseform drücken. Dieser Vorgang wiederholen sie ein zweites Mal. Zwei Käselaibe à rund 13 Kilogramm liegen in den runden Formen. Die Schotte, die dabei heraustropft und im Kessi zurückbleibt, ist ebenfalls wertvoll. Sie wird den Schweinen verfüttert, die sich wenig unterhalb der Alphütte im Dreck suhlen.

Zeit zum Reifen

Während der ersten Stunde wendet Marlies den Käse mehrmals. Der weisse Frischkäse ähnelt gekauftem Hüttenkäse, schmeckt aber viel würziger. Am Abend wendet Marlies den Käse ein letztes Mal, bevor sie ihn für 24 Stunden ins Salzbad taucht. Ein paar Tage wird der Käse hier oben im Keller gelagert und mit Salzwasser gepflegt, danach kommt er unten im Tal in ein Lager, wo er Wasser verliert und Aroma gewinnt. Das dauert. Gut lagerfähiger Alpkäse reift 2 bis 3 Jahre. In dieser Zeit sinkt der Wassergehalt, der entstandene extraharte Berner Hobelkäse ist laktosefrei und enthält viele Omega-3-Fettsäuren. Der Geschmack ist geprägt durch die reichhaltige Flora der Bergweiden mit ihrer Vielzahl an aromatischen Kräutern.

So ein Chäs, so schnell weg

Dieses Aroma kommt an. Wochen später und rund hundert Kilometer nördlich, auf einem Quartierplatz in der Hauptstadt: Der Bio Berner Hobelkäse von Perretens liegt auf dem reich gedeckten Brunch-Buffet. Gehobelt, gerollt, und innert Minuten gegessen, genossen. Wo kommt mehr her? David und Marlies Perreten haben auch dafür eine Lösung: Sie möchten den Käse direkt verkaufen und den Kontakt mit der Bevölkerung fördern. Deshalb bieten sie Alpkuhpatenschaften an. Die Patenschaft berechtigt zum Bezug von ihren Bio-Käseprodukten und ermöglicht einen detaillierten Einblick in den Betrieb.

Übrigens: Auch im Tal hat David Perreten eine eigene Hofkäserei. Mehr dazu auf: spitzhornk.ch

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